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Die Parabel von den Zwillingen

 

13. Dezember 2006

         
Zwillinge
 
Sand und Steine
 
Der blaue Luftballon
 
Schmetterling
 
Sternenkinder 1
 
Sternenkinder 2
 

Es geschah, dass im Schoß einer Mutter Zwillingsbrüder empfangen wurden. Die Wochen vergingen, und die Knaben wuchsen heran. In dem Maß, in dem ihr Bewusstsein wuchs, stieg ihre Freude." Sag, ist es nicht großartig, dass wir empfangen wurden? Ist es nicht wunderbar, dass wir leben?” Die Zwillinge begannen, ihre Welt zu entdecken. Als sie aber die Schnur fanden, die sie mit ihrer Mutter verband und die ihnen die Nahrung gab, da sangen sie vor Freude: “Wie groß ist die Liebe unserer Mutter, dass sie ihr eigenes Leben mit uns teilt!” Als aber die Wochen vergingen und schließlich zu Monaten wurden, merkten sie plötzlich, wie sehr sie sich verändert hatten. “Was soll das heißen?” fragte der eine. “Das heißt”, antwortete ihm der andres, “dass unser Aufenthalt in dieser Welt bald sein Ende zugeht.” “Aber ich will gar nicht gehen.”, erwiderte der eine, “ich möchte für immer hier bleiben.” “Wir haben keine andere Wahl”, entgegnete der andere, “aber vielleicht gibt es ein Leben nach der   Geburt!"  “Wie könnte diese sein?” fragte zweifelnd der erste, “wir werden unsere Lebensschnur verlieren, und wie sollten wie ohne sie leben können? Und außerdem haben andere vor uns diesen Schoß verlassen, und niemand von ihnen ist zurückgekommen und hat uns gesagt, dass es ein Leben nach der Geburt gibt. Nein, dies ist das Ende!” So fiel der eine von ihnen in tiefen Kummer und sagte: ”Wenn die Empfängnis mit der Geburt endet, welchen Sinn hat dann das Leben im Schoß? Es ist sinnlos. Womöglich gibt es gar keine Mutter hinter allem.” “Aber sie muss doch existieren”, protestierte der andere, “wie sollten wir sonst hierher gekommen sein? Und wie könnten wir am Leben bleiben?” “Hast du je unserer Mutter gesehen?” fragte der eine. “Womöglich lebt sei nur in unserer Vorstellung. Wir haben sie uns erdacht, weil wir dadurch unser Leben besser verstehen können.” Und so waren die letzten Tage im Schoß der Mutter gefüllt mit vielen Fragen und großer Angst. Schließlich kam der Moment der Geburt. Als die Zwillinge ihre Welt verlassen hatte, öffneten sie ihre Augen. Und was sie sahen, übertraf ihre kühnsten Träume.

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Original im Stadtmuseum Duisburg

 

(C) I. Weinhold

 

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